Ist eLearning nur eine Modeerscheinung oder kann digitales Lernen Präsenzschulungen vielleicht sogar komplett abschaffen?
Wissensvermittlung in Unternehmen
Fortbildung in Unternehmen geschieht auf verschiedene Weise. Selbst dort, wo nur Präsenzschulungen angeboten werden, gibt es meist informelle Wege der Wissensvermittlung unter Mitarbeiter:innen. Informationen sind im Intranet abrufbar, erfahrene Kolleg:innen geben Wissen weiter und Suchmaschinen helfen bei der nicht unternehmensspezifischen Lösungssuche. Möchte man allerdings Kontrolle darüber, welches Wissen in einem Unternehmen vermittelt werden soll, braucht es eine entsprechende Schulungsstrategie. Darin wird unter anderem das Schulungsangebot festgelegt. Dieses Schulungsangebot kann divers ausfallen. Heute vergleiche ich Präsenzschulungen mit eLearning-Kursen.

Präsenzschulung
Ich möchte von einer besonderen Schulung berichten, die ich halten durfte: Wie üblich habe ich am Nachmittag vor dem Schulungsstart den Schulungsraum überprüft. Schon in der Woche davor kümmerte ich mich um die Aktualisierung meiner Schulungsinhalte. Es war eine Anwendungsschulung, also stellte ich sicher, dass auf allen PCs die Anmeldung beim Betriebssystem und bei der Schulungsanwendung funktionierte. Auch alle anderen Gegebenheiten habe ich überprüft (Heizung, Beamer, Drucker, …). Es war alles, wie immer. Nur ein Sessel mit schiefen Beinen ist mir aufgefallen, den ich austauschte, um ein mögliches Einbrechen an den nächsten Tagen zu verhindern. Das Flipchart war mager bestückt, also kümmerte ich mich um Nachschub von Flipchart-Papier. Dann habe ich Flipcharts für den ersten Schulungstag entworfen. Zum Schluss legte ich auf alle Tische Blöcke, Kugelschreiber und eine grobe Vorschau über den Schulungsablauf auf den Plätzen der Teilnehmer:innen verteilt. Auch das hatte ich in der Vorwoche vorbereitet. Am Abend ging ich guten Gewissens und in Vorfreude auf die kommenden Schulungstage nach Hause.
Am nächsten Tag testete ich wie üblich, bereits zwei Stunden vor Schulungsbeginn nochmal die technischen Geräte im Schulungsraum. Da begann der Schlamassel: Ein PC konnte nicht richtig hochfahren, an den anderen PCs war die Anmeldung am Betriebssystem nicht möglich, der Beamer gab eine Warnmeldung aus und ein Fenster hat sich ausgehängt, nachdem ich es zum Lüften geöffnet hatte. Ich hatte alle Hände voll zu tun, um dennoch einen guten Schulungsstart für alle Teilnehmenden zu ermöglichen. Mitten im Schulen trieb uns später plötzlich ein Feueralarm aus dem Gebäude und ich habe weiter auf der Feuertreppe und am Versammlungsplatz versucht mit Spaß Wissen zu vermitteln. Zum Glück war es nur ein Fehlalarm. Dennoch passierte eine dreiviertel Stunde dieser Schulung im Freien. An diesem Tag kam vieles zusammen. Am Ende war es für mich trotzdem das Mühsamste, die Unterschriftenliste der Teilnehmenden einzuscannen und an die richtige Adresse zu mailen. Für die Personalentwicklung war es nur eine erledigte Schulung und selbst die Teilnehmenden sahen nur die Spitze des Eisbergs. Der große Aufwands-Brocken unter dem Wasser bleibt für die meisten unsichtbar.
So habe ich stets gerne Schulungen gehalten (auch die weniger spektakulären). Die Vorteile von Präsenzschulungen sind für mich:
- Persönlicher Austausch der Lernenden untereinander
- Direktes Feedback von Trainer:innen
- Gemeinsames Erarbeiten von Inhalten
Hinter einer Präsenzschulung verstecken sich allerdings regelmäßige Aufwände, von denen nicht alle gleich offensichtlich sind. Dazu kommen die Ausfallzeiten der Teilnehmenden sowie der Trainer:innen während der Schulungen am regulären Arbeitsplatz, wenn es sich um interne Vortragende handelt. Reisezeit und eventuelle Übernachtungskosten der Teilnehmenden, Verpflegung, … Es geht viel Zeit und Geld drauf.
Vor allem beim unternehmensinternen Know-How, das weitergegeben werden soll, ist es eine Herausforderung die passende Person für Präsenzschulungen zu finden. Ich habe Koryphäen auf ihrem Gebiet erlebt, die keine Schulungen halten konnten oder wollten. Und wenn man sie doch dazu überredet hat, konnten die Teilnehmenden wenig mitnehmen.
Präsenzschulungen kosten Zeit und Geld und nicht jede:r ist dafür geeignet, sie durchzuführen. Auch wenn Fortbildung in den meisten Unternehmen einen hohen Stellenwert genießt, so kenne ich keines, bei dem Zeit und Geld unbegrenzt zur Verfügung stehen.
Diese Nachteile von Präsenzschulungen habe ich bisher festgestellt:
- Unterschiedliches Vorwissen der Teilnehmenden
- Unterschiedliche Lerngeschwindigkeit/Auffassungsgabe
- Großer administrativer Aufwand
- Teuer in der Durchführung
- Herausforderung für introvertierte Teilnehmer:innen
- Trainer:innen können ausfallen

eLearning
Lang vor Corona haben wir im Verkehrsbüro den Schritt gewagt und eLearning eingeführt. Wir waren nicht die ersten in Österreich, aber dennoch hatte ich dabei ein Goldgräberzeit-Gefühl. eLearning steckt meiner Meinung selbst heute hierzulande noch in den Kinderschuhen. Es gab damals keine konkrete Ausbildung wie man digitales Lernen macht. Zwar hatte ich didaktisches Wissen als Präsenztrainer, aber eLearning funktioniert anders. Im eLearning merke ich nicht, wenn die Aufmerksamkeit der Schulungsteilnehmenden sinkt und kann daher nicht gegebenenfalls gegensteuern. Auch kann ich keine Fragen der Lernenden direkt beantworten.
Daher liste ich gleich die Nachteile von klassischen interaktiven eLearnings auf:
- Kein direktes Feedback von Trainer:innen
- Keine Gruppendynamik
Was für mich nicht mehr zählt ist ein technischer Aufwand oder Angst vor Neuem. Wir leben im Jahr 2022 und nicht mehr in den 90ern. Heutzutage kann der Großteil jeder Generation ein Smartphone bedienen. Lockdowns haben uns berufliche und auch private digitale Zusammenkünfte beschert und auch digitales Lernen hat dadurch viel Bekanntheit erlangt. Leider waren die wenigsten Unternehmen darauf vorbereit, womit sich manche schrecklichen eLearnings entwickelt haben. Selbst bei bekannten Unternehmen habe ich grafisch nicht ansprechende eLearning-Kurse gesehen. Es gibt auch eLearnings, die gut designt sind, jedoch sämtliche Didaktik vermissen lassen. Aber: Jemand, der eLearnings ansprechend gestaltet und digitale Didaktik beherrscht, kann die Kraft von eLearnings voll entfesseln.
Diese Vorteile bringen Ihnen eLearnings:
- eLearnings rentieren sich
- große Zeitersparnis
- Flexibilität für Lernende und Teamleitungen
- Wissen kann jederzeit aufgefrischt werden
- Minimalisierung der Administration
Hat ein Unternehmen regelmäßig Neueintritte, ist ein eLearning wirtschaftlicher als jedes Mal Trainer:innen in Präsenz oder über eine Videokonferenz die gleichen Inhalte vermitteln zu lassen. Auch ab einer gewissen Anzahl an Mitarbeiter:innen ist es günstiger auf eLearnings zu setzen. Am besten gefällt mir, dass es bei eLearnings keine „maximale Teilnehmerzahl“ gibt. Dadurch und dass niemand in ein Auto oder einen Zug steigen muss, ist es so leicht zugänglich. Das ist ein wesentlicher Punkt bei der Wissensvermittlung in Unternehmen. Außerdem entfallen Buchungen von Räumen und Hotelzimmern. Es muss keine Unterschriftenliste mehr gescannt verschickt und hinterlegt werden. Mit einem schlauen LMS funktioniert sogar die Anmeldung zu den passenden eLearnings automatisch.
Folgende Grafik zeigt den finanziellen Aspekt beim Vergleich von internen Präsenzschulungen mit einem eLearning. Ich habe die Kosten für eine eintägige, interne Präsenzschulung mit ca. € 1.000 veranschlagt und dabei Trainer, Verpflegung und Reisekosten für 20 Teilnehmende berücksichtigt. In meiner Annahme steht ein Schulungsraum kostenlos zur Verfügung. Bei den mehrtägigen Varianten habe ich noch Übernachtungskosten hinzugerechnet.:

Es ist ersichtlich, dass selbst eine sehr günstige interne Präsenzschulung nach dem 10. Termin teurer ausfällt als ein eLearning, das hier beispielhaft mit € 10.000,00 veranschlagt wird. Mehrtägige Schulungen schlägt ein eLearning preislich bereits viel früher.
Manche lernen schneller, andere sind langsamer. Die Lernenden erfahren die eLearning-Kurse im eigenen Tempo. Ein eLearning kann pausiert und später fortgesetzt werden. Diese Flexibilität ist unschlagbar. Außerdem können die Lernenden ein eLearning oder Teile davon bei Bedarf wiederholen.
Ich sehe eLearning auch als ideale Ergänzung zu Präsenzschulungen. Zum Beispiel lässt sich mit einem verpflichtenden eLearning vor einer Präsenzschulung sicherstellen, dass alle Teilnehmenden über ein gewisses Basiswissen verfügen. Das ist eine super Voraussetzung für eine angenehme und effiziente Präsenzschulung.
Fazit
Als passionierter Präsenztrainer war ich zuerst skeptisch gegenüber eLearning-Kursen. Immerhin hatte ich viel positives Feedback von meinen Schulungsteilnehmer:innen und deren Vorgesetzten erhalten. Nachdem ich nun beide Seiten kenne, komme ich zu folgendem Fazit:
eLearning wird nicht jede Präsenzschulung ersetzen können. Allerdings bietet eLearning so viele Vorteile für effizientes Lernen. Besonders die Kombination aus eLearning und Präsenzschulung ergibt oft das beste Resultat für die Lernenden.